Hunsrücker Platt

Auswanderung nach Brasilien


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(Die Säit in Hunsricker Platt) 

Brasilienbrief Februar 1895


Lieber Freund !

Dein Reisebrief vom 15. Oktober 1894 habe ich den 3. Februar 1895 erhalten. Ich habe am 29. Januar 1895 an David Wagner geschrieben.
Als ich den Brief auf die Post tat, dachte mein Herz nicht mehr an dich, deshalb fragte ich auch nicht ob ein Brief da wäre an mich. Des anderen Tages als ich die Zeitung in die Hand bekam, sah ich darin daß ein Brief an mich auf der Post lag. Da schickte ich einen Boten aus, aber er bekam ihn nicht, ich mußte ihn selbst abholen und mit meinem Namen unterschreiben.

Nun will ich dir auch schreiben was dein Herz wünscht. Unsere Pikade Rio Pardinho zieht sich in die Länge von acht Stunden, darin stehen acht Geschäftshäuser, die kaufen alle unsere Produkte, da kaufen wir unsere Waren, Und vier Wassermühlen, zwei Bierbrauereien und vier Sägemühlen, sechs Branntweinbrennereien und zwei Ziegeleien, die Ziegel werden mit Holz gebrannt, und fünf Schulen, zwei Evangelische und eine Katholische Kirche.

Wir haben letztes Jahr auch Glocken in unseren Kirchturm bekommen. Den 18. April 1894 hatten wir Glockenweihfest, drei Kirchen hätten die Menschenmenge nicht fassen können die zugegen waren. Meine Metzgers Tante starb im August, sie war die erste welche mit den Glocken zur Ruhe gestattet wurde.

Mit den Straßen hast du es erraten, die sind nicht gebaut wie in Deutschland, denn die Regierung macht nichts daran. Jeder Kolonist muß jedes Jahr 4 Tage am Weg arbeiten und wenn ein Regenguß kommt ist alle Arbeit verloren.

Unsere Produkte werden per Wagen bis nach der Eisenbahn befördert. Jedes Geschäftshaus hat ein paar Wagen und jeder Kolonist fährt mit einem kleinen Wagen.

Weil ihr viel Mais füttert, will ich dir schreiben wie viel wir pflanzen und wie wir ihn pflanzen. Ich habe dieses Jahr zwei Zentner gepflanzt, sie werden fünf Fuß auseinander gesetzt und fünf Körner in jedes Loch gelegt und werden in die Richtung gesetzt, daß man mit einem Pferd und mit einem Putzpflug durchfahren kann.
Mein ältester Sohn hat auch einen halben Zentner Mais (Milho) gepflanzt, er ist noch unverheiratet.
Mein Tochtermann hat sich ein gezimmertes Haus gebaut, welches bis jetzt erst noch unter dem Dache steht.
In Santa Cruz wird auch Kalk gebrannt.

Du schreibst daß es bei euch viel Obst gegeben hat. Da lief mir das Wasser im Munde zusammen und dachte in meinem Sinn hätte ich auch einen Teil davon, denn ich habe noch nie in Brasilien deutsches Obst gegessen als wie ein paar Pflaumen. Hier haben wir Pfirsiche, Apfelsinen, Trauben, Feigen, Ananas, Bananen und Melonen. Die Melonen ranken über die Erde wie die Kürbisse, die Apfelsinen (Orangen) werden zu Ostern reif und hängen auf den Bäumen bis Weihnachten.
Ich habe auch einige Walnußbäume gepflanzt, wovon einer trägt, und habe mir auch etliche Pflaumen auf Pfirsichbäume gepfropft, davon sind zwei gewachsen.

Schreib mir wo ihr am nächsten an den Bahnhof habt, wo die Eisenbahn am nächsten durchgeht.
Da ich denke, daß du meinen Brief an David Wagner auch gelesen hast, brauche ich dir nicht mehr zu schreiben von der Revolution.

Dein Brief ist nun gelesen von allen Verwandten, bloß von deinem Schwager Hölz noch nicht. Der wohnt jetzt nicht mehr wo er früher gewohnt hat, er wohnt in der Pikade Ferraß, zwei Kolonien von seinem Sohn Peter. Er ist sechs Stunden von uns entfernt, nächste Woche will ich ihn besuchen und ihm deinen Brief zu lesen geben.
Unsere Familien sind bis jetzt noch alle gesund und munter.

Nun will ich schließen und tue Euch alle vielmal grüßen.
Und noch einen besonderen Gruß an Adam Teis und an die Lange Familie in Uhler von meinem Schwiegervater und Schwiegermutter Nikolaus Leonhardt und Maria Margaretha Leonhardt geb. Teis, ihr Alter ist achtundsiebzig und sie sehen sich alle Tage nach dem Himmlischen.

In der Hoffnung und dem herzlichsten Wunsche daß Euch mein Brief in bester Gesundheit antreffen möge

Grüße ich Euch Alle
Adam Claas


Der Originalbrief als PDF: Brasilienbrief Februar 1895

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