Meine Eltern:
Albert Franz geboren 10.09.1897
Emma Franz, geb. Freiß geboren 8.07.1902
Mein Vater war Soldat im ersten Weltkrieg 1914 – 1918.
In dem schlimmen Stellungskrieg in den Ardennen mit sehr vielen Opfern
auf beiden Seiten, geriet er in französische Gefangenschaft.
Ich habe sehr oft, als Kind, wenn die Verwandten auf Besuch waren,
mitbekommen, wie das alles so abgelaufen ist in den Schützengräben.
Es waren damals auch sehr schwere Nachkriegsjahre. Hinzu kam dann die
Inflation und die Menschen standen praktisch vor dem Nichts.
In dieser schweren Zeit heirateten meine Eltern. Mein Bruder Helmut kam
am 19.12.1923 auf die Welt. Ich folgte ihm nach knapp 2,5 Jahren, am
4.02.1926.
Die schlechten Zeiten besserten sich nicht. Es kam zu der schwersten
Wirtschaftskrise weltweit. Mein Vater hatte das Stellmacher Handwerk
erlernt und war eine kurze Zeit vor seiner Heirat am Niederrhein
beschäftigt, wo viele Hunsrücker Brot und Arbeit fanden. Vater machte
trotz allem die Meisterprüfung und machte sich selbstständig.
Es muss sehr schwer gewesen sein, eine Großfamilie zu ernähren und zu
versorgen. Am 30. Juli 1929 gesellte sich Schwester Maria und Bruder
Willi am 11. Oktober 1933 hinzu.
Die Großeltern Friedrich und Katharina wohnten auch mit im Haus. Auch
Tante Martha war bis zu Ihrer Heirat oft mit von der Partie.
Alles spielte sich in der Küche ab. Gemeinsam Kochen, Essen, Waschen der
Reihe nach am einzigen Waschbecken im ganzen Hause.
Am Wochenende war nicht nur Badetag, auch Schuhputztag, da mussten wir
antreten. Schuhe waschen, trocknen und einfetten, kontrollieren ob Nägel
fehlten. Wir Jungs hatten stets ,,genälde Schuh“. Das Bad am Wochenende
fand notgedrungen im warmen Kuhstall statt. Es gab noch keine
Badezimmer. Der Bottich wurde mit warmen Wasser aus der Küche gefüllt und
dann wurde abwechselnd gebadet. Der schmutzigste kam als letzter! Alle
hatten das gleiche Parfüm. Die Toiletten, das stille Örtchen mit dem
Herzen war über der Jauchegrube oder im Nebengebäude zu derselben. Für
die Bedürfnisse in der Nacht gab es Urintöpfe, sogenannte ,,Pinkeldebbe“
die hatten Ihren Platz unter den Betten.
Das Abwasser aus der Küche und Waschbecken wurden ins Freie geleitet. In
den Straßengraben, wo alles Abwasser samt Überlauf der Jauchegrube sich
sammelten und zu den Bächen flossen. Wir hatten seiner Zeit noch sehr
strenge Winter, dann froren die Abwässer und es bildeten sich durchs ganze
Dorf Eisflächen. Zur Freude der Kinder die das gründlich ausnutzten zum
Schlittenfahren und Schlittschuh laufen.
Zum Ortsbild gehörte auch ein Misthaufen fast vor jedem Haus mit den
Mistkratzern darauf. (Hühner beim Würmer suchen)
Die Küche war gleichzeitig die Waschküche. Nicht immer ging alles
reibungslos vonstatten. Kein Wunder. Die gute Stube war heilig und Tabu
im Alltag. An Weihnachten und anderen Festtagen und Familienfeiern
vorbehalten. An die Zeit vor meiner Einschulung habe ich kaum noch
Erinnerungen. Wir waren vier in unserem Jahrgang. Es war eine große
Umstellung für mich. Hier hörte ich das Erste mal etwas vom
Nationalsozialismus und ,,unserem Führer Adolf Hitler.“ Ich kann mich
noch erinnern wie wir als kleine Kerlchen durchs Dorf liefen und riefen:
,,Deutschland erwache – Moskau zerkrache“ (Wer hatte uns so was
beigebracht ?). Auch im normalen Unterricht war und blieb das Thema
Nationalsozialismus aktuell. Zum Beispiel und das fand ich gut, es
wurde angeordnet dass jedes Kind eine Zahnbürste bekam und wir mussten
am Känel (Dorfbrunnen) antreten zum Zähneputzen. Daheim hat man das
zunächst belächelt, meine Eltern hatten bis dahin noch keine
Zahnbürsten, aber man hat es dann doch für gut befunden.
Die alten Menschen hatten meistens wenig oder sogar keine Zähne mehr.
,,Die hon emmer gesaht, eich koue off de Bellere (Zahnfleisch und
Kiefer).“ Man kam auch kaum zum Zahnarzt. Im Notfall hatten wir einen
ehemaligen Sanitäter (Peresch – Fritz) im Dorf, der mit einer robusten
Zange und ohne Betäubung die kranken Zähne entfernte.
Im Unterricht hatte ich so meine Probleme. Rechtschreibung und
Schönschrift waren für mich kein Lieblingsfach, schaffte aber dennoch
einen mittleren Abschluss. Die ganze Schulzeit war nach heutiger Sicht
überschattet von dem NS Problem. Man war gewohnt sich gegenseitig mit
guten ,,Morgen oder guten Tag zu grüßen“ und sollten, oder mussten, jetzt mit ausgestrecktem Arm ,,Heil Hitler“ sagen ? Wir Kinder waren
stets im Zwiespalt, wie wir es machten war es verkehrt.
Dann kam die Zeit mit der ersten Uniform. Kann man einem Kind verdenken,
dass es damit ein bisschen stolz war ?! Nun lernten wir marschieren und
dabei ein Lied zu singen, Sportwettkämpfe und so alles was zu
ordentlichen, tapferen Jungen gehört. Es war alles abgestimmt auf das
was auf uns zu kommen sollte. Wir hatten dennoch eine Zeit im Dorf mit
Freiheiten, die man Heute nicht mehr kennt. Die Straße gehörte uns (es
gab fast noch keine Autos) zum Spielen Rad fahren, Reifen schlagen, off
der Gass kleggere“ und vieles mehr.
Schöne und strenge Winter waren noch die Regel. Schlitten, Skier fahren
und Schlittschuhlaufen waren ein tolles Vergnügen.
Weihnachten seinerzeit war, ich denke besinnlicher wie heute. Da kam
immer die gute Stube mal an die Reihe. Wir waren keine Sänger-Familie,
da kam das alte Grammophon zum Einsatz um Heiligabend einzustimmen.
Geschenke waren fast nur auf die Bedürfnisse im Alltag gedacht, zum
Beispiel etwas für damals für mich und meinen Bruder, etwas Besonderes
!! einen Füllfederhalter. (ist heute nicht vorstellbar)
Die Großeltern waren stets mit dabei, Oma war noch sehr rüstig und im
Haushalt tätig, Opa habe ich in Erinnerung am Kamin im warme Eck im
Sorjestul sitzen dick eingepackt, den Spucknapf vor sich stehen.
Einmal war ich mit Ihm allein in der Küche und wie die Lausbuben so
sind, de Opa hat die Augen zu, ich dacht dä schläft, sen an de Schrank on
hon en Löffelchen Gelee geschnaust“, so schnell hat ich den Opa schon
lang nicht mehr gesehen, schon hat ich paar Ohrkappe und net so knapp.
Wie kann ich dann als Lausbub ach so was mache ?
Kinderarbeit war damals nicht verpönt und wurde auch reichlich genutzt.
Schlimm empfand ich es wenn Waschtag war am heißen Herd zu stehen und
die Waschtrommel stundenlang zu drehen vor und zurück.
In der Landwirtschaft mit zu helfen war selbstverständlich, ob beim
Dreschen mit Garben anreichen oder in der Kartoffelernte mit der Hacke
in der Reihe stehen, wir Kinder außen links oder rechts damit wir
nebenan niemand verletzen konnten. Aber außen war es meisten steinig und
hart.
Meine Oma hatte wie immer ein einsehen und wechselte mit mir den Platz.
Das war nicht gut, es dauerte gar nicht lange, hatte ich die Oma mit der
Hacke von unten am Kopf getroffen und musste blutend nach Hause.
Der Lehrer machte auch keine Ausnahme, jedes Jahr durften wir statt
Schule, dem Lehrer seine Brennholzscheite in den dritten Stock tragen
und dort stapeln. Als Belohnung gab es Bonbons.
Es gab so einiges was man sich nicht mehr vorstellen kann, zum Beispiel
durften wir auch auf Anordnung der Behörden mit der Schule
Kartoffelkäfer suchen gehen und ablesen gehen, um eine Ausbreitung zu
verhindern. Dabei war ich der Erste und Einzige, der einen fand. Man
lese und staune dafür gab es eine Belohnung! Eine Anstecknadel mit
Käfer. |